Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

Keine militärische Intervention in Mazedonien!

(25.08.2001)

Keine militärische Intervention in Mazedonien!

IMI-Stellungnahme zum Mazedonieneinsatz

Keine militärische Intervention in Mazedonien!

Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) spricht sich scharf gegen einen Bundeswehreinsatz in Mazedonien aus. Die Informationsstelle Militarisierung sieht in der Situation in Mazedonien den bisherigen Höhepunkt einer verfehlten Politik von NATO, USA aber auch von Deutschland. Diese haben von außen den Konflikt mit geschürt bzw. ihn erst in seinem jetzigen Ausmaß möglich gemacht. Das lässt sich nachweisen u.a. an
– der Präsenz von ehemaligen US-Offizieren bei den albanischen Rebellen,
– der Ausrüstung der albanischen Rebellen mit modernen US-Waffen,
– durch „Executive order“ des US-Präsidenten in der er jede weitere(!) Unterstützung u.a. der UCK unterbindet. Diese scharfe Form der Distanzierung bestätigt indirekt die bisherige enge Kooperation mit albanischen Rebellen,
– dem nahezu ungehinderten Grenzverkehr für Waffen und Bewaffnete zwischen Kosovo und Mazedonien (der an Mazedonien angrenzende Sektor des Kosovo wird von deutschen Soldaten „kontrolliert“!)

IMI weist darauf hin, dass der NATO-Krieg gegen Jugoslawien (der sogenannte „Kosovokrieg“) einen zentralen Beitrag zu Destabilisierung der mazedonischen Gesellschaft beigetragen hat:
– die Aufnahme von zahlreichen Flüchtlingen während des NATO-Krieges haben die sozialen und wirtschaftlichen Ressourcen des kleine Landes stark belastet. Dafür gab es zwar lobende Worte der westlichen Staaten aber so gut wie keine konkrete Unterstützung,
– die Handelssanktionen gegen Jugoslawien (wichtigster Wirtschaftspartner Mazedoniens) haben die Ökonomie des Landes grundlegend geschwächt,
– damit wurde die Schattenwirtschaft (Schwarzmarkt, organisierte Kriminalität, Schmuggel etc.) gestärkt – ein wichtiger Teil der Einnahmen der UCK und ANA stammen aus diesen Quellen.
– Die Form des internationalen Eingreifens und der Medienberichterstattung über die Problematik im Kosovo haben die Fülle der gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Probleme des zerfallenden Jugoslawien fahrlässig auf „ethnische“ Spannungen reduziert.

IMI stellt fest: Der jetzt geplante NATO-Einsatz hat schon vor seinem tatsächlichen Beginn zur Eskalation der Situation beigetragen. Eine NATO-Intervention wird in Mazedonien, wie im Kosovo, als Unterstützung für albanischen Separatismus interpretiert – von albanischer Seite und auch vom slawischen Teil der mazedonischen Bevölkerung. Die Eskalation in den letzten Monaten lässt sich in weiten Teilen nur verstehen unter Bezugnahme auf die Option einer NATO-Intervention in Mazedonien:
– Die albanischen Rebellen eskalieren seit Anfang 2001 die Situation systematisch damit der Einsatz stattfindet,
– Zudem versuchen sie „Fakten zu schaffen“, d.h. Vertreibung der mazedonischen Bevölkerung z.B. in Tetovo, bevor die NATO kommt, da man bei allzu drastischen Aktionen unter den Augen der NATO vielleicht deren Unterstützung verlieren könnte,
– Die Mazedonische Armee, die ebenfalls seit Anfang des Jahres mit einem Eingreifen der NATO rechnete, muss – aus ihrer Sicht der Dinge – den „Widerstand“ so gründlich wie möglich zerschlagen, bevor die NATO eingreift, da die NATO später ein „Schutzschild“ für albanische Seite darstellt. Diese Interpretation teilen auch einzelne Gruppen in der slawisch-mazedonischen Bevölkerung, die deswegen auch „schnell noch“ mit ihren albanischen Nachbarn abrechnen bevor deren „Hilfstruppen“ (die NATO) kommen.
– Aussagen, wie die von der „offenen albanischen Frage“(Fischer), müssen als Unterstützung von albanischem Separatismus verstanden werden.
– Das potentielles militärisches Eingreifen von Außen hat die moderaten und auf Ausgleich bedachten Kräfte geschwächt und diejenigen bestärkt, die auf Konfrontation und Eskalation setzen.

Die Informationsstelle Militarisierung hat einige sehr grundsätzliche Bedenken zum deutschen Bundeswehreinsatz:
– Mit dem Mazedonien-Einsatz werden Bundeswehr-Kriegseinsätze immer mehr zur Normalität.
– Traurig und fatal zugleich ist, dass Krieg nicht nur ein Mittel der Außenpolitik wurde (was schlimm genug ist), sondern offensichtlich das Mittel der Außenpolitik geworden ist – ohne dabei auch nur in Ansätzen aus den Fehlern des sogenannten „Kosovokrieges“ zu lernen und ohne Alternativen ernsthaft zu prüfen.
– Es besteht nun die ernste Gefahr, dass Krieg als das Mittel der Außenpolitik Deutschlands auch noch der (ohnehin schon schwachen) demokratischen Kontrolle durch das Parlament entzogen wird und zukünftig nur noch die Regierung über den Einsatz entscheidet – um „außenpolitisch handlungsfähig“ zu sein.
– Durch den Einsatz der Bundeswehr werden weitere Sachzwänge geschaffen, die die qualitative Aufrüstung der Bundeswehr noch zusätzlich beschleunigen.

Die Informationsstelle Militarisierung möchte zudem auf einige konkrete Bedenken zu militärischer Intervention in Mazedonien aufmerksam machen:
– Niemand benötigt Militärs, wenn es nur ums Einsammeln von Waffen geht!
– Die Mittel, die das Militär für seinen Einsatz in Mazedonien verschlingt, fehlen für zivile Projekte.
– Wenn die UCK (oder eine Splittergruppe der UCK) ihre Waffen (oder einen Teil davon) nicht abgeben will, dann hat die NATO die Wahl entweder selbst Kriegspartei zu werden oder (siehe Kosovo) die Bewaffnung der UCK stillschweigend zu dulden.
– Beide Optionen – ein weiterer NATO-Krieg oder eine zunehmende Aufrüstung der UCK – stellen einen weitere Eskalation der Situation dar.
– 30 Tagen und 3.500 Soldaten reichen nach Einschätzung vieler Militärexperten längst nicht aus um den Einsatz durchzuführen! Öffentlich wird nicht diskutiert, was nach dem zu erwartenden Scheitern der „Mission“ mit den NATO-Truppen und mit der gesamten Region geschehen wird.

Abschließend bleibt festzustellen, dass bei aller Verschleierung rund um den Mazedonieneinsatz, der Titel dieser Mission doch relativ ehrlich gewählt ist. Mit „essential harvest“ versucht die NATO das zu ernten, was sie vorher gesät hat. Doch diese Ernte könnte anders ausfallen als die NATO sich offensichtlich erhofft. Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass der Zauberlehrling NATO zwischen alle Fronten gerät. Nicht kooperationsbereite Albaner und verbitterte slawische Mazedonier könnten die Aktion nicht nur zum Scheitern bringen, sondern auch das Leben der Soldaten gefährden.
Der Hauptleidtragenden dieser überheblichen und kurzsichtigen Aktion „essential harvest“ sind jedoch die Menschen vor Ort.

Die Informationsstelle Militarisierung fordert deswegen:
– Keine NATO- und somit auch keine Bundeswehrintervention in Mazedonien!
– Keine weiteren Waffenlieferungen in die Region (an keine Seite)!
– Stopp des weiteren Umbaus der Bundeswehr zur Interventionsarmee!
– Auflösung der interventionsfähigen Teile der Bundeswehr!
– Unterstützung ziviler Konfliktlösungsstrategien in Mazedonien!

Text: Claudia Haydt, beschlossen: IMI-Vorstand: Jürgen Wagner, Andreas Seifert, Tobias Pflüger

Diese Stellungnahme zum Download: http://www.imi-ev.de/download/imi-maz-ch.pdf

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