Das Militär will das größte Tortenstück

Rede auf dem Ostermarsch 1998 in Bensheim im Odenwald von Robert Sollik Rede von Robert Sollik Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. zum Ostermarsch im Odenwald, Ostersamstag, 11. April 1998

von: 11. April 1998

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Das Militär will das größte Tortenstück

Ich möchte heute etwas über eine Torte erzählen. Die Torte, von der ich
erzählen will, wird im allgemeinen Sprachgebrauch auch als
Bundeshaushalt bezeichnet. Wie das mit so Torten ist, weiß ja jeder: Wenn
sie gut schmeckt, will jeder ein möglichst großes Stück davon. So ist das
auch mit unseren seriösen Herren vom Verteidigungsministerium. Ihr
Tortenstück nennt sich Verteidigungshaushalt. So seriös wie sie in ihren
schicken Anzügen aussehen, sind unsere Herren aber nicht. Die Militärs
sind wie Kinder. So wie Kinder immer das größte, tollste und neueste
Spielzeug wollen, wollen die Militärs immer die tollsten und neuesten
Waffen.

Tolle Waffen kosten logischerweise mehr als nicht so tolle, aber wer will
schon ein gewöhnliches Flugzeug oder Gewehr. Man muß doch auch was
erzählen können, wenn man auf einer NATO-Tagung oder in sonst einem
wichtigen Gremium ist. Wie soll sich Deutschland denn sonst als ich zitiere
„stabile und handlungsfähige Demokratie“ präsentieren??!!

Für diese Handlungsfähigkeit sind natürlich auch Opfer zu bringen, denn es
gibt eben nur einen Kuchen zu verteilen. Als Beispiele seien hier genannt
die Diskussion um die Renten im letzten Jahr, Krankenkassenbeiträge und
Zuzahlungen, Diskussion um die Studiengebühren, usw. Ich war vorgestern
beim Arzt und habe mir Augentropfen wegen meines Heuschnupfens
verschreiben lassen. Die kosten 12.- DM davon zahle ich 9.- DM selbst.
Wozu bin ich denn da noch krankenversichert? Die Gesetzgeber schreiben
die Versicherung vor und reglementieren diese dann so, daß die
Sinnhaftigkeit in Frage gestellt wird!

Sind wir bereit Opfer dafür zu bringen, daß Generäle ihr spätpubertäres
Kräftemessen ungeniert ausleben können??

Zu den Kuchenstücken:

Der ganze Kuchen (also der Bundeshaushalt) beträgt für 1998: 461,0
Milliarden DM, das sind 0,5% mehr als im letzten Jahr. Das Stück für den
Verteidigungsminister beträgt: 46,7 Milliarden DM. Das sind 0,8% mehr als
im Vorjahr. Der Rüstungshaushalt wächst also stärker als der
Bundeshaushalt, nächstes Jahr sogar um 1,8% gegenüber 0,3% des
Bundeshaushaltes!!!

In diesem Verteidigungshaushalt sind aber noch nicht alle Gelder enthalten,
die die Bundeswehr verschlingt. Nach den Kriterien der NATO kommen
zum EP 14 (Verteidigungshaushalt) noch der EP 33 (Versorgung) und der
EP 60 (Verteidigungslasten; Manöverschäden, Kosten durch
Umweltbelastungen, …) dazu. Die Summe beläuft sich dann auf: 54,4
Milliarden DM

Ein anderes Kuchenstück ist der Teil, der für Bildung und Forschung
ausgegeben wird. Für ’98 soll dieser Teil 14,7 Milliarden DM betragen.
Bildung ist ja nun als Investition in die Zukunft und – so heißt es offiziell –
„den Wohlstand“ anerkannt. Militärische Investitionen sind im Gegensatz
dazu da, um „Wohlstand“ und Zukunft zu zerstören! Es wird fast das
Vierfache (3,7) von dem was in Bildung und Forschung investiert wird in
das Militär investiert, das von seinem Ursprung her zur Zerstörung
ausgelegt ist. Das kann wohl nicht die richtige

Zeichensetzung für die Zukunft sein!

Um an das Kuchenstück des Verteidigungsministers heranzukommen
unternehmen einige Unternehmen interessante Versuche, die sogar von
Erfolg gekrönt sind!! 1995 stand die Entscheidung über die Anschaffung
eines Flugabwehrsystems für die Bundeswehr an. Das Rennen hatte
zunächst STN Atlas Elektronik gemacht. Als dann die DASA ein
Nachgebot einreicht, wurde das Verfahren neu eröffnet, und die DASA
erhielt letztendlich den Zuschlag!

Ich möchte nicht wissen, wer da wann mit wem Essen gegangen ist. Aber
wenn mit meinen und ihren Steuergeldern so locker umgegangen wird,
denke ich, sollte das niemand so kommentarlos hinnehmen!

Die Preisgestaltung und der Umgang mit dem Geld im Bereich von
Rüstungsprojekten ist auch eine genauere Betrachtung wert. Ich habe
damals den Umgang mit begrenztem Taschengeld gelernt. Eine ganz
banale Grundlage habe ich dabei gelernt:

Ich kann nur das kaufen, wofür ich Geld habe
Ich muß sparen, wenn es nicht reicht für teurere Dinge

In der Rüstung gelten da andere Gesetze!!!

Vor allem läuft der Entscheidungsprozeß ganz anders:

Die 1. Frage ist : Was wollen wir? Das ist allerdings nicht die
gleiche wie: Was brauchen wir?
Die 2. Frage ist : Wie kommen wir dazu, woher soll das Geld
genommen werden?

Wenn ich mir einen gewöhnlichen Dieb vorstelle, dann stelle ich mir dessen
Entscheidungsfindung ähnlich vor: er denkt sich, „Was hätte ich denn
gerne?“ und das besorgt er sich dann.

Sind unsere Politiker etwa Diebe? Ich denke nicht, daß sie Diebe sind, aber
sie sind steuerbar über Ihr Geltungsbedürfnis und darüber, daß sie Einfluß
haben wollen.

Der Eurofighter 2000, früher schon einmal als Jäger 90 bezeichnet, ist ja
allen bekannt und eignet sich sehr gut um ein paar Entwicklungen
aufzuzeigen: Im folgenden möchte ich versuchen einzelne Eckpunkte zu
nennen.

In den 70ern tauchte der Wunsch nach einem neuen Flugzeug bei den
Militärs auf. Dieser wurde zunächst durch die damalige SPD-Regierung
abgelehnt. Nach dem Regierungswechsel ’82 bekam die Sache neuen
Wind, gestützt durch die CDU-Regierung und das Projekt wurde als Jäger
90 gestartet. 1988 sollte die Entwicklung max. 5,85 Milliarden DM kosten
und eine Serienfertigung hatte keine uneingeschränkte Zustimmung. Option
war ein Stop des Programmes, bei Erfolg in Abrüstungsverhandlungen. Der
Jäger zur Abschreckung dienen, gegen die damals formulierte Bedrohung
aus dem Osten. Die Entwicklung dürfte alles in allem 10 Milliarden DM
gekostet haben und gestoppt wurde der Jäger 90 nicht, obwohl Probleme
auftauchten!

1. Der Ostblock als offizieller Feind brach zusammen und
2. In der Öffentlichkeit wurde der Preis für den Jäger diskutiert

mit Beträgen von 100 bis 200 Millionen pro Stück.

Die Industrie reagierte und legte im April `92 ein Angebot zu 133,9
Millionen pro Stück vor. Der Bundesrechnungshof rechnete nach und
belegte: Ein Jäger 90 kostet 160 Millionen pro Stück.

Als Resultat dieser Wirren verkündet Verteidigungsminister Rühe im Juni
`92: „Der Jäger ist tot“

Erbitterter Kämpfer für den Jäger war zu dieser Zeit die CSU. Ob das
etwas damit zu tun hat, daß die DASA der Systemführer des Eurofighters
ihren Hauptsitz in Bayern hat?

Es dauert nicht lange und Rühe wollte ein ganz neues tolles Flugzeug für
maximal 90 Millionen pro Stück. Daraufhin erging im Herbst ’92 ein
Angebot der Industrie für den Eurofighter 2000 zu 103 Millionen pro Stück.
Nach und nach stieg dieser Preis dann bis auf 127,3 Millionen pro Stück,
wobei ein paar Randbedingungen geändert wurden. Dabei ging es um den
Systemzuschlag. Der Systemzuschlag ist quasi alles, um die Dinger auch
zum Funktionieren zu bringen. Beim Tornado betrug er noch 50%. In
diesem neuen Angebot waren allerdings nur 24% für den Systemzuschlag
berechnet. Der Bundesrechnungshof schritt ein zweites Mal ein und
bezifferte den Preis auf 175 Millionen pro Stück mit einem Systemzuschlag
von 40%.

Durch dieses Beschaffungsprojekt sind von vorne herein ca. 30 Milliarden
DM gebunden, wobei das Ende der Preisentwicklung noch offen ist!! Es
gibt ein Verhältnis, in dem Forschung und Entwicklung, die Beschaffung
und die Nutzung von Wehrmaterial steht, mit dem auch gerechnet wird.
Erfahrungsgemäß beträgt dieses Verhältnis 1:4:7, beim Eurofighter 2000
sprechen Experten davon, daß es etwa bei 1:4:11 liegen könnte.

Die letzte Überraschung steht uns als Steuerzahlern und Finanziers dieses
Spielzeuges also noch bevor!

Das macht den Eurofighter 2000 zum sozialpolitischen Skandal! Während
überall gespart wird, wächst der Rüstungshaushalt und es war sogar
vorübergehend eine zusätzliche Finanzspritze aus einem anderen
Haushaltstitel geplant!

Eine Analyse von „Ohne Rüstung Leben“ zeigt, daß im Bereich der
Betreuung und Pflege von Alten, Kranken und Kindern dreimal so viele
Arbeitsplätze finanziert werden könnten, wie durch den Bau des
Eurofighter 2000 gesichert werden.

Roman Herzog sagte ’95: „Ich bin leidenschaftlich dafür, daß der
Sozialstaat erhalten bleibt.“ So viel Leidenschaft scheint mir das nicht zu
sein, die Herr Herzog da für seine Ideen aufbringt!!!

Wichtig bei der so genauen Betrachtung eines einzelnen Beispieles ist es
den Blick für das Ganze nicht zu verlieren. Der Eurofighter 2000 ist nur
eines von 215 nachgewiesenen Beschaffungsprojekten!! Er dient allerdings
als Deckmäntelchen, in dessen Hintergrund verschiedene
Neubeschaffungen unbeachtet über die Bühne gehen. Die zur Zeit
beschlossenen Neubeschaffungsprojekte der Bundeswehr umfassen eine
Summe von ca. 200 Milliarden DM! Bis ins Jahr 2001 veranschlagt die
aktuelle Planung 42,6 Milliarden DM für Neubeschaffungen auszugeben.
Das heißt, daß unsere Steuergelder schon auf Jahre hinaus quasi
ausgegeben sind.

Besonderes Augenmerk bei diesen Neubeschaffungen ist auf den Umbau
der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee zu legen. Die sogenannte
Krisenreaktionsfähigkeit ist zur Zeit ein, wenn nicht das wichtigste
Argument. Die Frage, die sich stellt, ist allerdings, auf welche Krisen soll
denn reagiert werden? In den Verteidigungspolitischen Richtlinien sind die
neuen Einsatzoptionen der Bundeswehr beschrieben. Eine heißt da z.B.,
daß die Bundeswehr eingesetzt werden soll, um den Zugang zu Rohstoffen
und Märkten in aller Welt aufrecht zu erhalten. Wenn also das Öl zu teuer
wird, dann fangen wir an mit dem Säbel zu rasseln, was ist das für eine
Entwicklung?

Wie dem auch sei, die Krisenreaktionskräfte (KRK) sind der zentrale
Punkt der Bundeswehr, dahin fließt das meiste Geld. Da werden für ca. 6,2
Milliarden DM neue „Gepanzerte Transport Kfz“ beschafft. Ab 2004 sollen
1.000 Stück. in Dienst genommen werden, davon alleine 900 ausschließlich
für die KRK. Andere Beschaffungsprojekte, die größtenteils den KRK
zugute kommen sind der NATO-Hubschrauber 90 (NH 90), der mit 12
Milliarden DM zu Buche schlägt oder der Unterstützungshubschrauber
(UHU / Tiger) für schlappe 13,5 Milliarden DM.

Bei diesen Beschaffungsprojekten spielt auch die Rüstungsindustrie eine
entscheidende Rolle. Für sie ist es wichtig, daß viel investiert wird, also
neues gekauft wird. So ist der Verteidigungshaushalt aufteilbar in einen
Anteil „Betriebsausgaben“ und einen Anteil „Verteidigungsinvestive
Ausgaben“. Die „Verteidigungsinvestiven Ausgaben“ betragen im
diesjährigen Verteidigungshaushalt mit 6,43 Milliarden DM 13,8%. Davon
kann unsere Rüstungsindustrie offenbar nicht leben, denn dieser Anteil soll
in den nächsten Jahren auf 30% erhöht werden. Mit diesem Geld werden
dann Arbeitsplätze gesichert, die andere Menschen früher oder später mit
ihrem Leben bezahlen müssen. Als Beispiel dafür sei ein Schrottplatz in
den USA genannt. In Form von Schrott, zumindest als solcher deklariert,
waren dort vollständige, alte Kampfhubschrauber gelagert. Als Schrott
wurden sie auch weiterverkauft. Wohin weiß niemand!!

Das Verteidigungsministerium hat die Tendenz sich Hauptausrüster für die
Bundeswehr zu suchen, oder diese zu bilden. Bereits geschehen ist das im
Bereich der Luftwaffe mit der DASA, sie wurde mit Zustimmung des
Kartellamtes aus kleineren Luftfahrtunternehmen gebildet. Im Bereich des
Heeres gibt es da gerade auch die Tendenz einen Hauptausrüster für
Panzer zu bilden. Im Falle der DASA gab es gegen das Votum des
Bundeskartellamtes am Ende einen sogenannten Ministerentscheid. Ein
Hauptausrüster hat doch auch den Vorteil, daß das lästige Einholen von
Angeboten entfällt. Die Preise werden einfach über solche „Argumente“
ausgehandelt wie dies beim Eurofighter 2000 geschehen ist. Es bricht die
Zeit an, in der Skandale nicht mehr vorkommen, da sie zum Geschäft
gehören. Da sollten wir den Regierenden ein paar Knüppel zwischen die
Füße werfen, denn jeder hat doch gerne etwas Geld übrig um davon in
Urlaub zu Fahren!

Was können wir da tun, um in der Regierung unsere Interessen vertreten
zu sehen? Eingangs sagte ich, Politiker seien steuerbar. Als letztes Jahr die
Studentenproteste über unterschiedliche Mißstände an den Universitäten
ihre Kreise zogen, gab es auf einmal 80 Millionen DM zusätzlich für
Bibliotheken. Woher die kamen ist ungewiß, aber es gab Menschen in der
Regierung, die, warum auch immer, sich angesprochen fühlten, etwas
zugunsten der Studenten zu tun. Das ist der Punkt, an dem wir als
Menschen, denen der Frieden ein erstrebenswerter Wert ist, ansetzen
können und müssen. Die Zahlen mit denen in der Politik umgegangen wird
sind nicht hart. Wenn am einen Ende so und soviel gespart wird, dann steht
dieser Betrag nicht automatisch an anderer Stelle zur Verfügung. Unser
Ansatzpunkt muß es sein, den „Wert Frieden“ zu etwas zu machen, für das
sich die Politiker einsetzten wollen! Wir müssen klarmachen, daß wir mit
dem herrschenden Lobbyismus der Großkonzerne nicht einverstanden sind,
sondern auch als Normalbürger Erwartungen an unsere Regierung haben!

Wenn unseren Politiker weltweit geachtet sein wollen, können sie das.
Wenn sie sich aber nicht um dringende Belange kümmern, sollten wir ihnen
die Unterstützung entziehen!!!